Leseprobe
Vom Gewissen und dem reinen Herzen
„Gewissen“ ist ein neuzeitliches Wort, das es im Sprachgebrauch der alttestamentlichen Seelenlehre nicht gab. Jesus hatte dieses Wort nie gebraucht, da es in der aramäischen Sprache, der „Muttersprache“ von Jesus, ein entsprechendes Wort nicht gibt. Im Bibellexikon von 1869 finde ich einen Hinweis, in dem es diesbezüglich heißt: „Im Herzen vollzieht sich das religiös-sittliche Urteil.. . Das Herz wird als dasjenige „Organ“ angesehen, durch welches in der Gemeinschaft das persönliche Leben mit Gott vermittelt wird (Psalm 5/12,19). Das „reine Herz“ bedeutet dasselbe, was wir heute, in unserer Neuzeit, als „das gute Gewissen“ bezeichnen. In der Parabel vom verlorenen Sohn lässt Jesus den in „seinem Herzen (Gewissen)“ Erschütterten „in sich selbst gehen“.
In diesem Zusammenhang hatte Jesus es mehrfach erwähnt. Wenn er beispielsweise in Matthäus 6/23 und Lukas 11/35 davon spricht, dass sich das innere Licht nicht in Finsternis verwandeln solle, so weist er damit auch darauf hin, dass es mit diesem Licht in unserem Herzen ein religiöses Leben gibt, welches das persönliche Leben mit dem Licht und somit mit Gott in Verbindung bringt.
Zwischen dem jeweiligem Glauben, seiner Praxis und dem persönlichem Gewissen gibt es meines Erachtens einen Zusammenhang. Ein fanatisch orientierter Mensch, unabhängig davon, ob er einer christlichen- oder jüdischen- einer hinduistischen- oder moslemischen Religionsgruppe angehört, bereitet mit seiner extremen-persönlichen Ausrichtung den Nährboden für sein „schlechtes“ Gewissen.
Der Mensch ist der Natur nach ein freies Wesen und er ist es, der seinem Herzen eine individuelle religiös-sittliche Prägung geben kann. In seinem Ursprung ist beispielsweise die christliche Religion eine Religion des Gewissens und der Freiheit. Wir haben die Freiheit, unseren Geist auf das Göttliche auszurichten, damit durch uns Sein Wille geschehen kann. Benützen wir aber unseren freien Willen dazu, unsere ganze Aufmerksamkeit dem Materialismus mit seinen Erscheinungsformen und Illusionen zu schenken, entfernen wir uns mehr und mehr von dem in unserem Herzen wohnenden Göttlichen Plan, den wir zu erfüllen haben. Wenn uns eines Tages unser Herz, sprich unser Gewissen daran erinnert, dann sollten wir die Gelegenheit wahrnehmen in die Stille zu gehen, um in einer Meditation, mit Hilfe von Mantren und Gebeten zu erfahren, was und wie wir unser Leben verbessern können. In diesem Moment können wir uns hingeben, nenne es Gott, Jesus, Pater Pius oder einem Heiligen aus einer ganz anderen Tradition wie beispielsweise Shirdi Sai Baba, und wir können erleben, wie diese Göttliche Gegenwart alles verwandeln kann. Diese Göttliche Hilfe kann einen kranken in einen gesunden Menschen verwandeln, sie kann aus einem Übeltäter einen rechtschaffenen Menschen oder aus einem Blinden einen Sehenden machen und einen Konflikt in Harmonie verwandeln.
Ab diesem Zeitpunkt können wir ein wahrhaft glückliches Leben führen. Spiritualität und glücklich sein schließt sich nicht aus. Im Gegenteil, es ist die vollkommene Ergänzung. Der, der durch diese Hingabe zu einem reinen Herzen geworden ist und sein Dharma, das heißt, seinen inneren Auftrag im äußeren Leben erfüllt, wird glücklich sein und kann dieses wahrhaftige Glück an seinem Nächsten weiterschenken.